2022 werden die ersten Erneuerbaren Energie­gemeinschaften in Österreich laufen!

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Eva Dvorak

Seit dem Beschluss des Erneuerbaren-Ausbau-Gesetzes im Juli 2021 werden Erneuerbare Energiegemeinschaften in Österreich immer konkreter. Für unser monatliches Experteninterview haben wir Ing. Mag. Eva Dvorak, MBA, Leiterin der Österreichischen Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften, zum virtuellen Interview gebeten. Erfahren Sie im ersten von zwei spannenden Beiträgen, welche Vorteile Erneuerbare Energiegemeinschaften in Österreich mit sich bringen und wie Ing. Mag. Eva Dvorak, MBA den wirtschaftlichen Anreiz für KMU’s und Privatpersonen einschätzt.

Warum soll man sich einer Erneuerbaren Energiegemeinschaft anschließen?

Eva Dvorak: Eine Erneuerbare Energiegemeinschaft soll den Teilnehmenden bzw. den Regionen, in denen sie tätig ist, wirtschaftliche, sozialgemeinschaftliche und ökologische Vorteile bringen.

Bislang war‘s ja so, dass der Prosumer seinen Strom (Überschuss) einfach nur ins Netz einspeisen konnte und dafür eine Vergütung bekommen hat. Zukünftig kann der Prosumer mitbestimmen: Was soll mit meinem Strom passieren? Und dafür kann er sich dann entweder mit anderen Prosumern zusammentun oder aber mit reinen Verbrauchern, das steht ihm völlig frei. Hier kann sich also eine Privatgemeinschaft bilden, die privat und autonom Vieles regelt; z.B. wer kriegt wieviel von dem Anteil, was passiert mit dem Überschuss, etc.

Wichtig ist, dass Menschen durch Energiegemeinschaften ein Stück weit zur Demokratisierung und Dekarbonisierung des Energiesystems beitragen, aber auch die Dezentralisierung und die Digitalisierung in dem Bereich vorantreiben.

Photovoltaik-Anlage

Wodurch ergeben sich wirtschaftliche Vorteile für Teilnehmende von Erneuerbaren Energiegemeinschaften in Österreich?

Eva Dvorak: Im direkten Handel kann ich mir innerhalb der Gemeinschaft den Preis ausmachen. Ich schaue, mit wem ich den Strom handeln möchte und zu welchem Preis. Wenn das jetzt im familiären Bereich ist, etwa wenn Eltern ihren Kindern, die irgendwo in der Nähe wohnen, den Strom zur Verfügung stellen, dann kann’s sogar geschenkt sein.

Wenn das in einer größeren Energiegemeinschaft ist oder zwischen Unternehmen – wir sprechen hier von KMU‘s – dann wird man sich einen Preis ausmachen, der für beide Seiten passt. Bei den Energiegemeinschaften gibt es auch wirtschaftliche Vorteile, die schon im EAG (Erneuerbaren-Ausbau-Gesetz) festgeschrieben sind, und zwar durch eine Reduktion der Netztarife, je nach der Netzebene, auf der wir uns befinden – weil wir nicht das ganze Netz verwenden.

Und auch, dass die EAG-Abgabe und die Elektrizitätsabgabe bei Photovoltaik wegfallen.

Welche sozialwirtschaftlichen Vorteile gibt es?

Eva Dvorak: Durch eine vielseitige Beteiligung wird der Zusammenhalt gestärkt. Wir sehen auch, dass dieses Regionale von den Menschen gewünscht wird, und dass sie sich gerne in Gruppen zusammenfinden. Die gleichen Interessen stärken den Zusammenhalt.

Man kann in eine Energiegemeinschaft Vieles hineinpacken: Das kann Carsharing-Konzepte betreffen, aber auch hingehen zu Initiativen, die der Energiearmut entgegenwirken.

Außerdem wird natürlich die regionale Wirtschaft gestärkt, weil das Umsetzungen sowohl im ländlichen als auch im städtischen Bereich sind. Aber natürlich braucht es immer auch Personen vor Ort, die sich da zusammentun, planen, umsetzen, die Anlagen warten usw. Das stärkt die regionale Wirtschaft.

Soziale Vorteile

Was sind die ökologischen Vorteile?

Eva Dvorak: Diese stehen überhaupt im Vordergrund. Wenn ich mich an einer Erneuerbaren Energiegemeinschaft beteilige, dann stärkt das mein Bewusstsein. Dann weiß ich plötzlich: woher kommt mein Strom, wie und wann wird dieser produziert. Dadurch, dass alle aktiv Teil der Energiewende werden können, gibt es so ein Gefühl, dass man ja vielleicht doch etwas machen kann.

Es sagt ja keiner, wenn ich in meinem Elektro-Auto nach Hause komme, dass ich es immer am Abend laden muss, wenn keine Sonne scheint. Wenn mir bewusst wird, wann der Strom produziert wird, dann kann ich meine Lastkurve vielleicht auch ein Stück weit anpassen.

Wir haben sehr ambitionierte Ausbauziele, d.h. wir werden viel zubauen müssen – große sowie kleine Anlagen. Und dafür braucht es die Akzeptanz der Bürgerinnen und Bürger. Die müssen da mit an Bord sein und sagen: Ich finde das gut.

Welche Faktoren sind aus Ihrer Sicht die wichtigsten Treiber für den Erfolg dezentraler Energiegemeinschaften in Österreich?

Eva Dvorak: Es braucht zum einen Menschen, die das initiieren und gerne andere mitnehmen möchten – also dieser gemeinschaftliche Gedanke.

Zum anderen ist es uns ganz wichtig, die Schwelle für den Eintritt in Energiegemeinschaften niederschwellig zu halten. Dazu zählt möglichst viel an Planungsarbeit vorwegzunehmen, die Komplexität des Themas für Interessierte zu reduzieren, Informationen breit zur Verfügung zu stellen und best-practice Beispiele präsentieren.

Immer mehr Menschen in Österreich liegt das Thema Energiewende am Herzen. Dennoch muss für manche ein wirtschaftlicher Anreiz bestehen, um die Gründung einer Erneuerbaren Energiegemeinschaft in die Hand zu nehmen. Denken Sie, dass der Anreiz für KMU‘s und Private groß genug ist?

Eva Dvorak: Viele sind bereit klimafreundlich zu leben, möchten aber nicht mehr dafür zahlen. Dafür gibt es Netztarifreduktionen und Gebühren, die wegfallen. Dadurch bekommt man Spielraum, um die Aufwände auszugleichen.

Wann ist aus Ihrer Sicht zu erwarten, dass Erneuerbare Energiegemeinschaften in Österreich in vollem Umfang umgesetzt werden können?

Eva Dvorak: Wir erwarten, dass 2022 schon die ersten Erneuerbaren Energiegemeinschaften in Österreich in vollem Umfang laufen. Bei den Bürgerenergiegemeinschaften wird es wohl noch ein bisschen länger dauern, da in diesem Modell mehrere Netzbetreiber betroffen sind.

Glühbirne 2022

Ausblick

Im zweiten Teil des Interviews gibt uns Ing. Mag. Eva Dvorak, MBA spannende Einblick in ihre Einschätzung des Marktes sowie deren Teilnehmer. Darüber hinaus erzählt sie uns von ihrem persönlichen Vorzeigebeispiel in Sachen Erneuerbaren Energiegemeinschaften. Schauen Sie also im neuen Jahr nochmal in unserem Blog vorbei, um den zweiten Teil zu lesen.

Allgemeine Infos finden Sie auch bei der Österreichischen Koordinationsstelle für Energiegemeinschaften: www.energiegemeinschaften.gv.at

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